Victor Kégli

Skulptur/Performance

Spielzeugpferd auf fahrbarer Holzkonstruktion, 2 x 2,8 x 1,8 m

2005

Der Goldene Reiter

Der Goldene Reiter ist für Schwerin eigentlich dasselbe, wie der Bär für Berlin,- ein Wahrzeichen.
Aber er ist längst nicht so populär wie dieser, vielleicht liegt es an seinem Stand, Ritter zu sein, vielleicht an seiner Vergoldung.
Obwohl im Stadtraum überall gegenwärtig, wirkt er distanziert:
Er schmückt den Schlossturm vollplastisch, und reitet genauso auf dem Rathausdach, reliefartig findet man ihn auf jedem Gullydeckel, gelb auf blauem Grund im Stadtwappen und sicher auch noch anderswo, aber nicht im Logo der Stadt, das gibt es ein paar wellen und auch nicht als Souvenirartikel. Das Petermännchen, ein Schlossgeist und der Nachtwächter werden, volksnah, günstiger vermarktet.

Zwischen den Gullydeckeln und der Schlossturmspitze bewegt sich Victors Aktion, im Umzug durch die Innenstadt:
Friedrichstraße,-Puschkinstraße,-Schloßstraße,-Schlossparkcenter,-Am Markt,- Puschkinstraße,- Schloßstraße,-Arsenalstraße,-Friedrichstraße.

„Der Goldene Reiter, der Goldene Reiter, hier kommt der Goldene Reiter, heute in der Stadt, der Goldene Reiter in Schwerin, werden Sie der Goldene Reiter zum Wahrzeichen der Stadt, werden Sie zum Helden, werden Sie zum wahren Schweriner zum Goldenen Reiter, heute in Schwerin heute hier auf der Straße...(...)“
Der goldene Reiter ist eine Sagengestalt,
ist eine figürliche Darstellung,
ein Zeichen,
ein Emblem,
ein Begriff.

Victor verzichtet auf den Reiter und dessen Geschichte, er stellt ein Pferd zur Verfügung, das jeder reiten könnte. Er bietet kein lebendes Pferd, sondern das Bild eines Pferdes, das Abbild eines gallopierenden Pferdes, stark verkleinert, ein Pferdchen, ein Spielzeugpferdchen.
Das Pferdchen ist vorgefertigt, in hoher Auflage, es ist käuflich zu erwerben.
Es ist ein automatisches Pferdchen, ein Automat.
Steckt man 50 Cent in den dafür vorgesehenen Schlitz dann bewegt es sich gleichmäßig wiegend, vor und zurück, so als ob es gallopieren würde.
Das Spielzeug kann man kaufen und besitzen und wenn man es nicht besitzen kann so kann man es doch besetzen, denn wenigstens das Vergnügen kann man sich erwerben.
(...)
Normalerweise würde das Pferdchen, so wie es fabriziert wurde, vor irgendwelchen Geschäften oder Amüsierbetrieben stehen und eingeschaltet, hin und herwiegen, jedenfalls auf der Stelle festgeschraubt und verkabelt stehen bleiben.

Für den Umzug durch die Stadt hat Victor Kégli es befrei, entkabelt und auf Batteriebetrieb geschaltet. Den blauen Sockel, auf den er es montierte, kombinierte er mit einem Fahrgestell, sodass es doppelt beweglich, zur transportablen, transportierenden Plastik wurde.
(…)
Das Spiel, Victors Spiel, funktioniert, das Spielwerk wurde selbstständig und spielte mit, das ist wirklich.
Das Publikum verhält sich nach anderen Regeln, spielt nicht mit, spielt ein anderes spiel und ist noch wirklicher.
„Fast jeder gebildete Mensch übt sich gelegentlich im traurigen Handwerk des kritischen Spielverderbers.“ Das Zitat sagt es. Fragt sich nur, in diesem Fall, wer der Spielverderber ist, wer wessen Spiel verdirbt?
Der Künstler, der wie ein marktschreierisches Vertretermonster sein albernes Pferdchen anbietet, scheint dem Publikum suspekt, Mütter halten ihre Kinder fest, statt sie, der Werbung entsprechend, auf das Pferdchen zu setzen.
Der Zynismus der Aktion ist offensichtlich, unmissverständlich, der Künstler als Zyniker, als Hund, entlarvt scheint dem Publikum bissig.
Auch wenn wir versichern: „ Er beißt nicht, er will nur spielen“.

Inge Mahn, Jan. 2007

Fotos. Thomas Bruns